Diese zwei Hunde heißen Zecke und Siva. Man kann sie kaum unterscheiden, sie sind Mutter und Tochter. Die Mutter ist Zecke. Ich habe sie so genannt, weil sie sich als Welpe wie eine gefräßige Zecke benommen hat. Beim gemeinsamen Füttern des Rudels hat Welpi-Zecke immer versucht, den anderen etwas zu stibitzen. Das ging von offener Provokation bis hin zu blitzschnellem Diebstahl. Hatte sie sich etwas ergaunert, schleppte sie es in eine sichere Ecke und verteidigte es. Bloß nicht wieder herausrücken. Da fletschte sie als kleiner Welpe die Milchzähne und ließ niemanden mehr heran. Außer mich. Ich nahm ihr gelegentlich nach einer einmaligen kurzen Diskussion den gestohlenen Fleischbrocken wieder ab und gab ihn dem Besitzer zurück. Das brachte den jungen Hund sichtbar an den Rand der Verzweiflung.
Was sie kurz darauf mit dem sogenannten "Gefahrentrick" quittierte. Sie stürmte während der gemeinsamen Fütterung an den Zaun und verbellte einen imaginären Feind. Oder griff wutentbrannt eine Krähe oder einen herumhüpfenden Sperling an. Und immer fiel einer der "Großen" darauf herein und stürmte mit. Sofort eilte sie zu dem frei stehenden Napf und bediente sich blitzartig. Ich merkte es und verbot ihr auch das.
Schnell hatte sie nun heraus, dass der eigentliche Feind ihrer erweiterten Speckansatzmaßnamen ich bin. Also beobachtete sie nach dem Herunterschlingen ihres Futters mich. Kaum fühlte sie sich vor meinen Blicken sicher, ging sie auf Raubzug. Sie wusste damals noch nicht, dass man durch Glasscheiben durchsehen kann. Sechs Monate brauchte ich, damit sie sich nur und ausschließlich um ihren Napf kümmerte. Sie war beharrlich und ich etwas mehr.
Nun ist sie Mama. Ihre Tochter heißt Siva. Und Siva ist ihrer Mutter recht ähnlich. Zwar lässt sie das Futter bei den anderen Hunden in Ruhe ( diese sind seit Zecke schlauer geworden), aber sie mobbt. Bevorzugt ihre Mutter. Bei jedem Spaziergang zwickt sie in ihre Beine, bei jedem gemeinsamen Rennen in ihre Seite. Und seit sie größer ist, springt sie auf ihren Rücken und beißt ins Fell. Ich sehe dieses nerven nicht so gern und breche dieses Verhalten ab. Kaum ist das kleine Miststück aus meiner Reichweite, macht sie es doch wieder. Zecke erträgt es beharrlich. Aber es nervt sie sichtbar. Vielleicht hat sie auch von einem anderem Trainer gehört, das man durch Ignorieren von unerwünschten Verhalten dieses wegtherapiert.
Und nun tat ich etwas, was ich sonst nie tue. Ich gab das Ausbremsen auf.
Denn immer, wenn ich mit Klein-Siva schimpfe, sieht mich auch ihre Mutter, welche nun mal bei ihr steht, sparsam an. Irgendwie hat sie da etwas missverstanden. Nur wenn ich das ausbremsen genau auf Siva zuordnen konnte, korrigierte ich wieder. Und lobte Zecke. Sie lief dann glücklich und verstehend zu mir. Auch das ist einer der Gründe, warum ich auch von zu großen Spielwiesen für die Welpen-Spielstunden nichts halte. Man kann einfach nicht punktgenau und zielsicher das Verhalten der Welpen führen und leiten.
Doch nun, seit einer Woche bin ich nur noch am Lachen. Das Imperium schlägt zurück. Aber in Gestalt ihrer Mutter. Sie nabelt ab. Die sieben Monate alte Siva bekommt ihr Fett weg. Bei der geringsten Aktion ihrerseits geht es los. Zecke beißt in ihre Beine, dreht sie auf den Rücken, sie quält sie. Beharrlich. Der kleinste Ansatz von Frechheit reicht und Tochter Siva leidet. Lange.
Alles wie im Spiel, aber mit Lern-Charakter. Siva hat das anfangs gar nicht verstanden. Ungern verlässt sie „ich beackere die Mama“ –Rolle. Dieses haben wir einmal gefilmt.
Und vor drei Tagen durfte ich sehen, dass nun auch schon ein unüberlegter Blick in die Richtung der Mutter ausreicht. Ein kleiner aufsässiger Blick der Tochter, ein winziger frecher Ausdruck in Haltung oder Mimik. Sofort wird sie über die Wiese gejagt und bekommt Qualen. Und genauso langmütig wie sie die Frechheiten ihrer Tochter ertragen hat, genauso lange erklärt sie ihr nun bei jeder Gelegenheit, was für die Zukunft auf sie zukommt.
Siva scheint zu verstehen. Sie trottet neben ihre Mutter her, versucht sich zu benehmen. Und wenn sie es doch wieder einmal kurz vergisst, dann wird es wieder unangenehm. Länger als ihr lieb ist. Beharrlich unterbindet Zecke auch nur jegliche Frechheit ihrer Tochter.
Ich muss daran denken, wie schnell man selbst einmal ungeduldig wird. Oder ich beim Training auf die Uhr sehe, faul werde. Wenn man etwas ändern will, dann reicht es nicht aus, dass man etwas ändern will. Man muss es auch tun. Manchmal eben auch beharrlich. Zecke hat mir das gerade wieder erklärt.