Oft, und öfter als gedacht, klingelt bei mir das Telefon zum Thema: Hund beißt Kinder. Oft ist es noch kein richtiges beißen, mehr ein schnappen oder ein kurzes Kiefer-zusammenklappen als Warnung.
Die Frage, welche zwangsläufig gestellt wird: "Können wir das trainieren?".
"Klar", sage ich dann, "wenn sie ihre Kinder mitbringen".
Natürlich versuche ich immer zu helfen. Denn diese Leute sind verantwortungsbewusst und können sich im Ansatz wenigstens vorstellen, was ihr Hund so anrichten könnte.
Die Ursachen für dieses Verhalten können viele sein, die Lösungen ebenso. Daher versuche ich schon bei meinen Welpen, ein Gleichgewicht zwischen der Gattung "Kind" und der Gattung "Hund" herzustellen. Und bevor die Welpen beginnen, lernt das Kind Respekt zum Tier und nicht so viel Lärm in deren Nähe. Daher hatten die Kids immer das erste Training, bevor sie an Hund dürfen.
Mit Entsetzen sehe ich oft, wie die Besuchs-Kinder bei uns einem Welpen nachstürzen. Die Rückrufaktionen der Eltern verschallen oder werden komplett ignoriert. Der komplette Ablauf eines sicheren Rückruftrainings schießt mir da blitzartig durch den Kopf.
Und oft höre ich von den Hunde-und Kindersachverständigen: "Lass die beiden niemals aus den Augen, lass sie niemals allein".
Upps, das ist mir laufend passiert.
Als teilweise alleinbetreuender Vater habe ich festgestellt, dass es mir nicht immer möglich ist, alles im Blick zu haben. Besonders dann, wenn mir das Essen gerade wieder anbrennt oder einfach nur das Telefon klingelt.
Und daher habe ich nach der Sozialisierung der Kinder von meinen Welpen verlangt: "Lass die Kids in Ruhe, sonst gibt es Ärger".
Kaum hatte ich es öffentlich ausgesprochen, hieß aus aus der Leckerlie-Ecke "Du machst deine Hunde zwangstolerant".
Stimmt, die Kinder sind meine und der Hund hat sie in Ruhe zu lassen. Was für ein tolles Wort: "Zwangstolerant". Absolut richtig.
Denn, irgendwann fällt meinem Kind z.Bsp. ein Keks herunter. Ich bin dann natürlich gerade wieder bei meinem qualmenden Essen. Und beide sind der Meinung, der Hund, dem der Keks vor die Nase und dem Kind, dem es gerade herunter fiel: "das ist aber meins".
Und da bin ich sehr glücklich, wenn in dieser Sekunde der Hund sehr tolerant bleibt.
Futterfreundlichkeit trainierte ich übrigens schon mit den Welpen. Ich mache da einfach einen Futtertausch. Ich stelle den Welpen eine Schüssel mit Gemüse hin. Meine Kinder haben diese Schüssel unter meiner Anleitung weggenommen und durch eine Schüssel mit Fleisch ersetzt. Wenn also ein Kind am Futter vorbei ging, fuhr der Hund nicht hoch sondern er hatte Hoffnung. Auf besseres.
Warum ist mir das "zwangstolerant" bei einigen Hunden wichtig.
Ich hatte das Glück, als Kleinkind aber auch als Jugendlicher oft enge Begegnungen mit Hunden zu haben. Daher hatte ich später selber Hunde, konnte meinen Berufstraum als Schäfer leben.
Viele tolle Geschichten, Erlebnisse und Begebenheiten von und mit ihnen leben in mir, sind emotional abrufbar. Daraus entstand eine Verbundenheit, die Hunde sind für einige meiner emotionalsten, freudigsten aber auch traurigsten Erlebnisse verantwortlich. Und ich durfte erleben, dass ein magisches Band zwischen Mensch und Hund entstehen kann. Nicht mit jedem Hund, aber die Seelenhunde kommen vor. Sie an meiner Seite zu haben, dafür bin ich dankbar.
Aber ein Kind, welches von einem Hund gebissen wird, hat in den seltensten Fällen die Möglichkeit, dieses Erlebnis zu verarbeiten. Es wird Angst vor diesen Tieren haben, wird die schönen Momente, welche mir gegeben worden, niemals erleben dürfen. Ich nehme dem Kind so ein großes Stück Leben. Das macht mich traurig.
Und ja, daher darf mein Hund auch mal zwangstolerant sein. Er verliert nichts, wenn er einem Kind aus dem Weg geht. Doch das Kind gewinnt ganz viel. Und damit vielleicht auch ganz viele Hunde.